Propofol – Killer in der Anästhesie oder Wundermittel
Aufgrund der tragischen Todesfälle an der Universitätsklinik für Kinderheilkunde in Innsbruck und der Universitätszahnklinik in Graz herrscht derzeit in Europa bei vielen Eltern und PatientInnen große Verunsicherung bezüglich des Medikamentes Propofol.
Was ist Propofol
Propofol ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der Narkotika, der aufgrund seiner kurzen Halbwertszeit als gut steuerbar gilt. Der genaue molekulare Wirkmechanismus ist sowie bei den meisten Narkotika nicht hinreichend geklärt. In den handelsüblichen Präparaten ist Propofol in einer Emulsion gelöst, welche daher ein milchig-weißes Aussehen aufweisen. Weltweit werden jährlich rund 200 Millionen Narkosen durchgeführt. Darunter gibt es mehrere Millionen Anwendungen pro Jahr von Propofol. Leider kommt es unabhängig der verwendeten Medikamente statistisch gesehen bei jeder 500000 Narkose zu einem tödlichen Zwischenfall. Die Zahl mag abschrecken, wenn aber bedenkt, dass bis noch vor 50 Jahren bei jeder 50000 Narkose ein Mensch starb, dann erkennt man die rasante Entwicklung in der Anästhesie.
Bei Propofol Narkosen berichten PatientInnen zumeist über eine angenehme Aufwachphase. Natürlich gibt es für die Narkoseführung Alternativen zu Propofol, diese sind aber allesamt dem Propofol in Patientensicherheit, Wirksamkeit, Nebenwirkungsprofil und Steuerbarkeit deutlich unterlegen – Dies gilt auch bei der Anwendung bei sehr jungen Kindern. Propofol wurde basierend auf den klinischen Erfahrungen der letzten Jahrzehnte bei Kindern und Erwachsenen für die Anästhesie und zur Kurzzeitsedierung auf Intensivstationen unverzichtbar. Eine erzwungene Rückkehr zu älteren und deutlich nebenwirkungsreicheren Sedierungs-Medikamenten und gleichzeitiger Verzicht auf Propofol würde für viele PatientInnen ein deutlich höheres Risiko und eine deutliche Minderung des Narkosekomforts bedeuten.
Zulassungsüberschreitender Einsatz – off Lable use
In Österreich werden Zulassungen von Medikamenten durch die AGES erteilt, nicht immer liegen fundierte wissenschaftliche Studienergebnisse vor. Insbesondere bei Kindern, sehr alten PatientInnen und Schwangeren gibt es aus juristischen, versicherungsrechtlichen und finanziellen Gründen kaum Zulassungsstudien. Viele Medikamente – wie z.B. Propofol, viele Antibiotika und gut steuerbare Schmerzhemmer – sind daher ebenfalls nicht für den Einsatz bei Kindern verschiedener Altersklassen und Gewichtsgruppen registriert. Wenn aber deren Überlegenheit gegenüber alternativen therapeutischen Optionen im Ärztealltag als gesichert gilt, dann werden diese Medikamente in der Regel im Rahmen des „off-label use“, also der zulassungsüberschreitenden Verwendung, eingesetzt.
Unerwünschte Wirkungen von Propofol
Bedeutsame Nebenwirkungen bei der Gabe von Propofol sind sowie bei vielen Sedativa und Narkotika Atemdepression bis hin zum Atemstillstand, sowie Blutdruckabfall. Dies betrifft insbesondere ältere, Herz vorgeschädigte Patienten und damit einen großen Teil von Personen, die sich einer Allgemeinanästhesie unterziehen müssen. Dies limitiert den sinnvollen Einsatz von Propofol zur Einleitung einer Allgemeinanästhesie oder Durchführung einer Total intravenöse Anästhesie bei diesen Patienten. Es treten auch Erregungsphänomene (spontane Bewegungen, Muskelkrämpfe), allergische Reaktionen (Anaphylaxie) aufgrund von Histaminfreisetzung sowie Träume (meist angenehm, jedoch auch hin und wieder sogenannte „bad trips“ – schlechte Träume, die real erlebt werden) des Patienten auf. Träume mit sexuellen Phantasien führen gelegentlich zu Vorwürfen der sexuellen Belästigung oder gar des sexuellen Missbrauchs durch den Arzt. Eine weitere Nebenwirkung ist der lokale Schmerz bei der Injektion, der durch eine Reizung der Venenwand entstehen kann. Weiterhin kann es in einzelnen Fällen nach Anwendung von Propofol zum Auftreten von Krampfanfällen kommen. Es gibt leider kein wirksames Medikament ohne Nebenwirkungen oder Komplikationen. Die differenzierte Abwägung des Einsatzes, das Wissen um mögliche Nebenwirkungen, die aktive Suche nach frühzeitigen Warnsymptomen und gegebenenfalls die Therapie auftretender Nebenwirkungen liegen immer in der Verantwortung der behandelnden ÄrztInnen.
Todesfälle verursacht durch einen Laryngospasmus
Der tragische Todesfall eines Kindes in Graz, wurde durch einen sogenannten Laryngospasmus – im Volskmund „Lungenkrampf“ verursacht. Propofol ist nicht Ursache, sondern Gegenmittel! Bei dem „Lungenkrampf“ kommt es – ähnlich wie bei einem schweren Asthmaanfall – zu einer Verkrampfung der Muskeln des Kehlkopfes. Bei Allgemeinanästhesien kann ein Lungenkrampf aus verschiedenen Ursachen entstehen, z.B. durch Allergien auf Medikamente oder Reizungen im Rachen- und Kehlkopfbereich. Zur Behandlung des Lungenkrampfes werden Medikamente verabreicht, die die Luftwege entspannen und wieder öffnen. Propofol hat nicht nur eine schlaf-auslösende Wirkung, sondern auch eine lungenkrampf-lösende Nebenwirkung. Daher ist Propofol als Verursacher des tragischen Vorfalls in Graz auszuschließen.
Es gilt zu vermeiden, dass durch eine emotional geführte öffentliche Diskussion unter fälschlichen Annahmen ein sehr wertvolles und vor allem in vielen Bereichen der Anästhesie und Intensivmedizin alternativloses, unverzichtbares Medikament in Verruf gerät und dessen Einsatz „kriminalisiert“ wird.
Was ist Propofol,