Cervikogene Kopfschmerz
Klinik
Spezielle Symptome des cervikogenen Kopfschmerzes sind ein einseitiger und seitenkonstanter Schmerz, der durch bestimmte Halswirbelbewegungen oder durch Druck auf spezifische Triggerpunkte (z.B. Ansatzpunkt des Nervus occipitalis major, oder Prozessus transversus des Halswirbels) ausgelöst wird. Er imponiert fast ausschließlich als kontinuierlicher und in der Intensität fluktuierender Dauerschmerz und kann von Attacken mit einer Dauer von Stunden bis Tagen überlagert sein. Der Schmerz ist von mäßiger bis schwerer Intensität und von dumpfer oder ziehend-bohrender Qualität. Er strahlt typischerweise vom Nacken zur Stirn/Schläfe oder dem Auge aus. Manchmal beobachtet man Begleitsymptome wie Übelkeit und Brechreiz, einen unspezifischen Schwindel, eine diskrete Hör- und Lichtempfindlichkeit und nur selten Schluckstörungen. Abzugrenzen ist die Migräne.
Epidemiologie
Der überwiegende Anteil der Studien wurde in Kopfschmerzzentren durchgeführt, wobei die Häufigkeit zwischen 1-15% schwankte. Nicht selten (bis zu 17%) ist eine Kombination mit anderen Kopfschmerzen, wie z.B. einer Migräne oder einem Spannungskopfschmerz. Ein Überwiegen des weiblichen Geschlechtes mit ca. 2/3 zeigte sich bei fast allen Autoren.
Ursache (Ätiologie)
Vom Hinterkopf und Nacken gelangen periphere Nervenfasern in das Rückenmark, wo sie sich dann mit den Rückenmarksbahnen vermischen. Diese morphologische und funktionelle Vermischung von peripheren Nerven und Rückenmarksbahnen im Sinne einer „Schaltstelle“ ist verantwortlich für die Weiterleitung von Schmerzimpulsen von Nacken zur Stirn.
Bekannte Ursachen wie basiläre Impression, Übergangsanomalien, eine rheumatoide Arthritis, eine cervikale Myelopathie, knöcherne Tumoren, Neurinome in Höhe C1-C2, venöse Plexus, arterielle Gefäßschlingen, arteriovenöse Fehlbildungen, eine Dissektion der Arterie vertebralis, selten auch der Arterie carotis interna oder auch eine einseitige retropharyngeale Tendinitis müssen von unbekannten Ursachen durch genaue klinische Untersuchungen abgegrenzt werden.
Therapie
Nicht operative Interventionen
Bei bekannten Ursachen sollte eine entsprechende Therapie erfolgen, bei unbekannten Ursachen wird auf unterschiedliche Konzepte zurück gegriffen. Nerven- oder Wurzelblockaden (Paracervikalblock nach Moore und der C2-Ganglienblock nach Bogduk) haben wahrscheinlich nur diagnostischen Wert. Blockaden des Nervus occipitalis major sind technisch einfacher durchführbar, haben weniger Nebenwirkungen und stellen eine Alternative zu C2-Blockaden dar. Darüber hinaus werden eingesetzt die transcutane elektrische Nervenstimulation (TENS), physikalische Maßnahmen wie Massagen, Hydro- oder Elektrotherapie sowie kombinierte Therapieansätze mit physiotherapeutischen und kognitiven-verhaltenstherapeutischen Maßnahmen.
Systematische Studien, die eine Einordnung nach Evidenz basierter Medizin ermöglichen, fehlen. Die Bedeutung der Manualtherapie ist nicht schlüssig geklärt. Solche Therapien werden häufig überschätzt.
Operative Interventionen
Mit unterschiedlichen Techniken werden bei Schmerzen im Hinterkopf-Nacken-HWS-Bereich häufig durchgeführt, wobei die Techniken nur bedingt miteinander vergleichbar sind. Das untersuchte Patientengut ist inhomogen und unscharf definiert und weist z.B. Patienten mit zum Teil einseitigen, aber auch mit beidseitigen Beschwerden auf. Die Spontanverläufe werden bei der Bewertung von Therapieergebnissen offensichtlich unterschätzt. Neurolysen des N. occipitalis major zeigten bei klinisch eindeutiger Diagnose nur in 8 % einen über 16 Monate anhaltenden Effekt. Bei einem differenzierten Einsatz von Ganglionektomie sowie ventralen und dorsalen dekomprimierenden Operationen wurden in einer Übersicht über 102 Patienten Erfolgsraten von 80 % beschrieben.